Sicherheitsföderalismus neu gestalten

Im vergangenen Jahr wurde die Mordserie der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aufgedeckt, die im ganzen Land Entsetzen ausgelöst hat. Wie kann es sein, dass eine Tätergruppe über einen so langen Zeitraum hinweg scheinbar ungestört ihre schrecklichen Straftaten verüben konnte? Auf einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der das aufklären soll. Primär geht es um die Fragestellung, welche Defizite in der deutschen Sicherheitsarchitektur bestehen. Da das Mördertrio neben Sachsen auch von Thüringen aus agierte, habe ich mich als Thüringer Bundestagsabgeordneter ohne Zögern bereit erklärt, in diesem Untersuchungsausschuss mitzuarbeiten.

Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich dabei nicht, wie immer wieder fälschlicherweise dargestellt wird, alleine mit den Ämtern für Verfassungsschutz. Deutschland hat verschiedene Sicherheitsbehörden: „Geheimdienste“ sind der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst (MAD). Daneben gibt es die Polizeien von Bund und Ländern. Die strikte Trennung zwischen Geheimdiensten und der Polizei hat ihren Ursprung aus den Erfahrungen der NS-Zeit. Dort hatte die Gestapo sowohl Geheimdienst- als auch Polizeifunktionen und missbrauchte ihre Stellung im brutalsten Ausmaß.

Nach erster Sichtung des verschiedenen Aktenmaterials zeigt sich, dass der Informationsaustausch zwischen den Behörden verbesserungsfähig ist. Ursächlich ist hierbei vor allem die föderale Ordnung der Bundesrepublik. Die Thüringer Polizei und der Thüringer Verfassungsschutz ermitteln bis zur Landesgrenze und nicht weiter! Gibt es Verbrecher, die an Landesgrenzen halt machen? Sie sehen, dass die föderale Ordnung unseres Sicherheitssystems dringend kritisch zu hinterfragen ist und Kooperationsdefizite aufzudecken sind. Dies machen wir nunmehr aus Sicht des Bundes im Untersuchungsausschuss am Beispiel der konkreten Mordserie der NSU.

Bei der Komplexität der Themen ist es hilfreich und ich bin dem Geheimratsteam dankbar, dass ich Sie umfangreich informieren darf. Das ist der Vorteil im Vergleich zu einer Tageszeitung, die immer mit Schlagzeilen und wenig Zeichenanzahl über politische Ereignisse informieren muss.

Deshalb kommt es in der Tagespresse auch immer wieder zu Vermengungen von Informationen, die einen falschen Eindruck entstehen lassen. Kürzlich habe ich erklärt, dass es richtig ist, wenn der Verfassungsschutz Personen mit verfassungsfeindlicher, linksextremistischer, rechtsextremistischer und gefährlich islamistischer Haltung überwacht. Ich muss damit leben, dass diese Aussage nicht jedem gefällt. Dass man mir deshalb aber vorwirft, mich nicht ausreichend gegen den Rechtsextremismus zu stellen, kann ich nicht hinnehmen. Als Mitglied im Untersuchungsausschuss und als Ihr Bundestagsabgeordneter liegt es mir am Herzen, ganz deutlich zu machen, dass für Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikale Gewalt kein Platz in unserer Gemeinschaft ist. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus müssen wir an einem Strang ziehen. Dies machen nicht nur die im Parlament vertretenen Parteien und ihre Anhänger, sondern auch viele Bürger mit verschiedenen Initiativen. Dieses Engagement unterstütze ich und friedliche Demonstrationen begrüße ich ausdrücklich. Demonstrationen mit Gewalt, Nötigungen und Angriffen auf Sicherheitskräfte widersprechen meinem Demokratieverständnis und werden von mir nicht unterstützt.

Auch beim Kauf von Immobilien durch Rechtsradikale sind Grenzen gesetzt. In Crawinkel ist es durch ein kluges Agieren von Landratsamt und Thüringer Innenministerium gelungen, den Kauf rückgängig zu machen. In Deutschland haben wir aber den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Somit sind staatlichen Eingriffen bewusst Grenzen gesetzt. Bürger und die öffentliche Hand die Immobilien veräußern, müssen sich über die Käufer informieren. Mit Blick auf rechtsradikale Käufer steht das Thüringer Innenministerium mit viel Expertise zur Seite. Nach den jüngsten Vorfällen wird das Innenministerium seinen Informationsservice noch ausweiten. Dem Bund und mir persönlich hier öffentlich Vorwürfe für ein zu geringes Engagement zu machen, ist schlichtweg unsachlich. Mit meiner Arbeit im Untersuchungsausschuss trage ich intensiv dazu bei, den Rechtsextremismus in Deutschland weiter zu bekämpfen und stehe dafür ein, dass rechtsextremes Gedankengut keinen Platz in unserer Gesellschaft haben darf.