Gastbeitrag erschienen am 17.10.2018 auf www.microsoft-berlin.de/artikel/wir-brauchen-eine-digitale-ethik: Künstliche Intelligenz (KI), Big Data oder Robotik haben längst Einzug in unseren Alltag gehalten und eröffnen ungeahnte Möglichkeiten für den Einzelnen, unsere Gesellschaft und die Wirtschaft. Gleichzeitig werden auch die Risiken neuer Technologien wahrgenommen. 60 Prozent der Deutschen sorgen sich laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), dass in Zukunft viele Arbeitsplätze von Robotern, KI oder Algorithmen übernommen werden könnten. Eine Zahl, die nachdenklich stimmt, wenn man bedenkt, dass der Wohlstand unseres Landes davon abhängt, wie erfolgreich wir den digitalen Wandel als Gesellschaft gestalten.

Herr Schipanski, Thema Flüchtlinge: Welche Eindrücke haben Sie aus Ihrem Wahlkreis mit nach Berlin genommen? Zunächst gibt es eine große Hilfsbereitschaft unter den Menschen in Thüringen, für die ich mich bedanke. Aber die Bilder von Flüchtlingen, von Flüchtlingsströmen lösen bei vielen auch gewisse Unsicherheiten und Ängste aus. Mir ist wichtig, dass diese Menschen und auch wir Politiker über die Ängste reden dürfen, ohne dass man gleich in eine rechte Ecke gestellt wird. Egal, ob diese Ängste begründet sind oder nicht: Man muss sie erst mal kommunizieren, um sich damit auseinanderzusetzen. Auch von Seiten der Politik muss gesagt werden, wie wir diesen Flüchtlingsstrom steuern wollen und wie Integration vor Ort gelingen kann. Hier sehen Sie Defizite? Ich habe feststellen müssen, dass eine solche Kommunikation von Seiten der Thüringer Landesregierung gar nicht stattfindet und somit auch die Flüchtlingspolitik im Freistaat ein Stück chaotisch wirkt. Was genau erwarten Sie von Rot-Rot-Grün? Zum einen muss man natürlich mit den Leuten kommunizieren, wo Einrichtungen entstehen. Stichwort Bürgerbeteiligung: Ich denke, das muss auch passieren, wenn es um die Entscheidung von Erstaufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften geht. Es ist wichtig, mit den Leuten vor Ort ins Gespräch zu kommen, zu erklären, Sorgen ernst zu nehmen und ihnen klar zu sagen, wie Integration vor Ort gelingen soll.

Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Ein wachsender Anteil von Asylbewerbern sucht Schutz in der Europäischen Union, die Staats- und Regierungschefs verhandeln über gemeinsame Lösungswege. Wie schwierig das ist, zeigt das Ringen um verbindliche Aufnahmequoten. Auch bei uns in Deutschland steigen die Flüchtlingszahlen derzeit rasch an. Für das Jahr 2015 rechnet der Bund mit 450.000 Asylanträgen. Rund 12.000 Asylbewerber erwartet Thüringen. Keine Frage, diese Zahlen stellen Bund, Länder und Kommunen vor große Herausforderungen. Wie gehen wir damit um, sind wir bald überfordert, brauchen wir neue Gesetze? Ich meine nein. Wir haben schon heute ausreichende Regeln, wir müssen sie aber besser anwenden.

Eine Formulierung in einem CSU-Papier zum Thema Armutszuwanderung hat eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Es ist gut und richtig, diese Diskussion über das Thema Zuwanderung zu führen. So können wir ihre Chancen deutlich machen, ohne Probleme kleinzureden. Wir unterscheiden dabei zwischen der Zuwanderung jener, die im Rahmen der sogenannten „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ sowie der „Unionsbürgerschaft“ bei uns leben und arbeiten möchten und jener, die nur von unserem Sozialsystem profitieren wollen. Wir wollen und brauchen Zuwanderung in Deutschland. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Unionsbürgerschaft der Europäischen Union sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft und für unseren Arbeitsmarkt. Das gilt auch bei uns in Thüringen. Gerade mit Blick auf unsere immer älter werdende Gesellschaft sind wir auf Arbeitnehmer angewiesen, die in unsere Sozialsysteme einzahlen. Zuwanderung braucht aber Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Nur dann wird sie als Gewinn empfunden, sowohl bei den Einheimischen als auch bei den Zugewanderten selbst. Hierzu ist eine fest in der Gesellschaft verwurzelte Willkommenskultur nötig.