Von den Problemen der Kompromissfindung

Nach langen Verhandlungen steht die Reform der Grundsicherung fest, die mittlerweile schon von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Die Gewinner des zähen Ringens sind die Kinder und die Kommunen.

Mit dem Bildungspaket für 2,5 Millionen bedürftige Kinder schlagen wir ein neues Kapitel in der Sozialgeschichte auf. Statt per Gießkannenprinzip schlicht mehr Geld auszuzahlen, gehen wir den Weg der zielgerichteten Investition in die Zukunftschancen der Kinder. In Form von Sach- und Dienstleistungen erhalten die Kinder Schulmaterial, Nachhilfe, Zuschüsse zu Mittagessen und Freizeitaktivitäten. Dies ist ein erster Schritt, um die oft vererbte Bildungsarmut zu durchbrechen. Die Kommunen übernehmen die Umsetzung, da sie Schul- und Jugendhilfeträger sind und ihre Vereine und Verbände kennen. Der Bund trägt die Kosten für das Paket in Höhe von 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. Neu ist, dass der Bund als zuverlässiger Partner der Kommunen zukünftig einige Sozialausgaben übernimmt, die bisher in kommunaler Verantwortung lagen. Das betrifft die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die in drei Schritten bis 2014 und danach auf Dauer komplett durch den Bund finanziert werden.

So wird der Landkreis Gotha, ausgehend von den heutigen Zahlen, allein von 2012 bis 2015 um 8,68 Millionen Euro entlastet. Deutschlandweit sind es in diesem Zeitraum sogar 12 Milliarden Euro.

Aber auch Mindestlöhne, Equal-Pay und Schulsozialarbeiter sind Bestandteile des Kompromisses. Doch was haben diese Themen mit dem Gesetzentwurf zu tun, der im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat zu bearbeiten war? Ursprünglich hatte das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung den Auftrag gegeben, die Regelsätze der Grundsicherung insbesondere in Hinblick auf die Kinder zu überprüfen. Alle weiteren Themenkomplexe wurden von der Opposition „hinein verhandelt“. Den schließlich gefundenen Kompromiss musste sich der Bund teuer erkaufen. Ich halte es für fragwürdig, dass der politische Handlungsspielraum des Bundestages durch parteipolitische Taktik im Bundesrat derart verzerrt werden darf. Den aktuellen Trend, Politik immer mehr als Maßnahmen-Paket zu gestalten, um so Kompromisse zu erzielen, halte ich sachpolitisch sogar für falsch. Der Bundesrat hat die Aufgabe, Länderinteressen bei der Gesetzgebung wahrzunehmen und nicht Blockadepolitik der Opposition auszuführen. Insofern kann ich mich dem Unverständnis vieler Bürger über die Verhandlungen anschließen.

Föderalismus darf nicht dazu führen, dass sich der Bundestag politischen Handlungsspielraum mit finanziellen Zugeständnissen erkaufen muss. Durch die Zusatzausgaben in Milliardenhöhe bleiben dem Bund jetzt bedauerlicherweise nicht mehr die finanziellen Spielräume für andere wichtige Projekte wie die Kommunalfinanzreform, mit der wir die finanzstrukturellen Probleme der Kommunen hatten lösen wollen. Diese Chance haben wir leider vertan.