Gotha als Schaufenster Thüringens

In wenigen Tagen findet der Thüringentag statt. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, damit alles bereit ist, wenn Gotha zum Schaufenster Thüringens wird. Mehr als 200.000 Gäste werden erwartet, was eine einmalige Gelegenheit bietet, um die Residenzstadt über die Landesgrenzen hinaus zu der Bekanntheit zu verhelfen, die sie verdient hat. Als fünftgrößte Stadt gehört Gotha nämlich nicht nur einwohnermäßig zu den Schwergewichten des Freistaates, sondern hat auch kulturell und historisch Herausragendes zu bieten.

Der Einfluss des in Gotha residierenden Adelsgeschlechts auf die Genealogie europäischer Adelshäuser ist allgemein bekannt. Doch die Bedeutung der Stadt ist – Gott sei Dank! – keineswegs, wie das Motto „Gotha adelt“ vermuten lässt, auf das Feudale und Blaublütige zu reduzieren. Der große Festumzug wird zeigen, wie viele historisch wichtige Persönlichkeiten in enger Verbindung zu der Stadt standen, die nicht adlig waren. Der bedeutende Renaissance-Maler Lucas Cranach, der Kartograph Justus Perthes, der Vater der deutschen Schauspielkunst Conrad Ekhof, der Verleger Carl Joseph Meyer sind nur einige, die in Gotha wirkten und den Ruf der Stadt prägten. Auch als Gründungsort für im 19. Jahrhundert fortschrittliche und zukunftsweisende Projekte hat sich Gotha einen Namen gemacht: Hier wurde das deutsche Versicherungswesen begründet, dessen Prinzip der kollektiven Risikoübernahme uns bis heute vor allen möglichen Übeln bewahrt. Hier entstand – das will ich nicht verschweigen – mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands der Vorläufer der heutigen SPD, die mir die politische Arbeit immer wieder spannend macht. Hier wurde 1861 der Deutsche Schützenbund gegründet, der damals weit mehr war als eine Sportlerversammlung, sondern maßgeblich an der nationalen Einheitsbewegung mitwirkte. Dieses runde Jubiläum der Schützen, das im Rahmen des Thüringentages gefeiert wird, verweist anschaulich auf das liberale statt ausschließlich feudal geprägte Gesicht der Stadt.

Dass Gotha keineswegs in der Vergangenheit stecken geblieben ist, sondern auch in Sachen Fortschritt auf der Überholspur ist, zeigt die Art, wie Besucher sich auf dem Thüringentag informieren können. Landesweit kommen erstmals sogenannte Quick-Response-Codes zum Einsatz, mit denen Smartphone-Besitzer in Sekundenschnelle Programmhinweise, Erklärungen zu Sehenswürdigkeiten oder verfügbare Fremdenzimmer abrufen können. In der Bundeshauptstadt gibt es den Service zwar, aber ansonsten sind mir kaum Städte bekannt, die die neue Informationstechnologie schon nutzen. Die vielen Vereine und Verbände, die das Zusammenleben heute prägen und bereichern, werden sich am Fest-Wochenende ebenfalls präsentieren. Damit wird der Thüringentag ein unvergessliches Erlebnis, wofür es meiner Ansicht nach aber keinesfalls solcher immensen Ausgaben bedurft hätte. Das Spektakel dieser Größenordnung ist vor allem durch die Unterstützung unzähliger Privatpersonen und Unternehmen möglich geworden, denen ich an dieser Stelle herzlich danke.

Vergangenheit, Zukunft, Kultur und Technik – was den Gothaern selbstverständlich ist, ist deutschlandweit noch zu wenig bekannt, wie ich auch bei meiner Arbeit in Berlin immer wieder feststellen muss. Deshalb lassen Sie uns zusammen, auch über den Thüringentag hinaus, daran arbeiten, dass Gotha nicht länger ein exklusiver Geheimtipp bleibt, sondern seine Einmaligkeit auch deutschlandweit bekannt wird.