Brief aus Berlin – Nr. 15/2011

Besuch Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI zur Rede vor dem Deutschen Bundestag.

In dieser Sitzungswoche drehte sich in Berlin vieles, aber längst nicht alles um den Heimatbesuch von Papst Benedikt XVI. – auch wenn das in den Medien vielleicht anders gewirkt hat. Hier lesen Sie von beidem: Papst-Besuch und politischem Alltag.

  1. Papst Benedikt XVI. zu Gast in Deutschland
  2. Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
  3. Neue Gestaltungsfreiheit für Jobcenter
  4. Einflussnahme von 1,8 Millionen Menschen
  5. Gäste in Berlin
  6. Hinter den Kulissen: Gastredner im Bundestag

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1. Papst Benedikt XVI. zu Gast in Deutschland
Berlin befand sich am gestrigen Tag im Ausnahmezustand: Viele Straßen wurden gesperrt, mehr als 6.000 Polizisten waren im Einsatz, ein Helikopter kreiste, tausende Katholiken auch aus anderen europäischen Staaten waren eigens angereist, um Papst Benedikt XVI. auf der ersten Station seiner Deutschlandreise in Berlin zu sehen.
Nachmittags besuchte der Papst dann den Bundestag und hielt nach der Begrüßung durch Bundestagspräsidenten Norbert Lammert seine mit Spannung erwartete Rede. Dass nicht alle Politiker der Opposition anwesend waren, bedauere ich persönlich. Zum einen ist es meiner Ansicht nach selbstverständlich, einem geladenen Gast mit Respekt und Toleranz entgegenzutreten, zum anderen sollten wir nicht vergessen, dass das christliche Wertekonzept die Grundlage unserer Gesellschaft ist und bleibt.
In seiner beachtenswerten Rede ging der Papst auf grundsätzliche philosophische und theologische Fragen ein wie die der Natur des Menschen sowie der Bedeutung von Menschenrechten und – würde. Auch rief er zu einem achtsameren Umgang mit unserer Umwelt auf und mahnte, die christlichen Wurzeln Europas nicht zu kappen. Treffend waren auch seine Äußerungen zum Wesen der Politik, die sich um Gerechtigkeit bemühen müsse und so die Grundvoraussetzung für Frieden schaffe. Diese Äußerungen haben in meinen Augen ihre Richtigkeit und Wahrheit für alle Politiker – unabhängig von parteipolitischer Prägung und Religion.
Im Anschluss hielt der Papst im Berliner Olympiastadion vor circa 61.000 Gläubigen eine Messe. Gemeinsam verfolgten die Menschen über mehrere Großleinwände das Geschehen, sangen und beteten zusammen. Benedikt XVI. verwendete das Gleichnis vom Weinstock aus der Bibel, um sein Kernanliegen zu vermitteln: Die Menschen sollten sich auch in der heutigen Zeit auf ihren Glauben besinnen und gegebenenfalls zu ihm zurückfinden. Weiterhin wandte er sich auch an die Kritiker der katholischen Kirche und betonte, auch hier gebe es wie überall „gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut“.
Die nächste Station von Benedikt XVI. ist Thüringen. Auch für mich als Protestant bedeutet das eine große Ehre für unseren Freistaat. Die Begegnung mit der Evangelischen Kirche Deutschland erwarte ich mit Spannung und hoffe auf weitere Impulse für die Ökumene. Morgen in Erfurt werde ich selbstverständlich auch dabei sein.

2. Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Um die Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in unserem Land ging es in der gestrigen Debatte im Plenum, in der ich als zuständiger Berichterstatter für die CDU/CSU-Fraktion sprach. Um im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe erfolgreich zu sein, brauchen wir gute Rahmenbedingungen für die Doktoranden und Postdoktoranden an unseren Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Wichtig für junge Nachwuchswissenschaftler ist vor allem eine bessere Planbarkeit ihrer wissenschaftlichen Karriere. Deshalb setzt sich die christlich-liberale Koalition für eine stärkere Strukturierung der Doktorandenausbildung ein. Postdoktoranden sollenmöglichst frühzeitig eigenständig forschen und lehren können. Da der Bund aber nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten hat, sind vor allem die Länder und die Hochschulen gefragt, den Nachwuchswissenschaftlern gute Bedingungen zu schaffen. Meine Rede können Sie unter ‚Videos‚ anschauen.

3. Neue Gestaltungsfreiheit für Jobcenter
Heute hat der Bundestag die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente beschlossen. Mit den Neuerungen bündeln wir die verschiedenen Arbeitsmarktinstrumente stärker und gestalten sie gleichzeitig deutlich flexibler und passgenauer als bisher. So können die Jobcenter zukünftig die verschiedenen Förderinstrumente bedarfsorientiert und individuell miteinander kombinieren. Das ist ein großer Vorteil, denn die Arbeitsmarktsituation unterscheidet sich von Region zu Region beträchtlich, so dass bundesweit einheitliche Festlegungen an der Realität vorbei führen. Die Jobcenter sind aber nah dran an den betroffenen Menschen und können jetzt selber entscheiden, welche Schwerpunkte in der Förderung sie setzen. Das kann dann höchst individuell ablaufen: Braucht ein junger Mensch beispielsweise einen Führerschein, um einen bestimmten Job zu bekommen, kann dieser zukünftig finanziert werden. Positiv ist, dass auch für die öffentlich geförderten Beschäftigungen, die sogenannten Ein-Euro-Jobs, eine gute Regelung gefunden wurde. Statt der ursprünglich geplanten Pauschale erhalten Bildungsträger die tatsächlich entstehenden Kosten bei der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen erstattet. Wichtig ist uns, dass die Ein-Euro-Jobs nicht zu einer Einbahnstraße werden, sondern idealerweise eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt bilden. Deshalb können sich Langzeitarbeitslose zukünftig parallel dazu weiter qualifizieren und Maßnahmen in Anspruch nehmen. Priorität haben aber grundsätzlich bestehende, reguläre Beschäftigungsverhältnisse.
Notwendig wurde diese Reform auch deshalb, weil die Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten Jahren stetig zurückgegangen ist und dementsprechend die Instrumente an die Struktur der Arbeitslosigkeit angepasst werden musste. Nicht zuletzt kann mit der Strukturreform auch ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet werden, wobei der Haushalt für Arbeit und Soziales aber mit 126,6 Milliarden Euro der weit größte Etat des Bundeshaushalts 2012 bleibt.
Ehe das Gesetz in Kraft treten kann, muss aber noch Mitte Oktober der Bundesrat darüber abstimmen. Bedanken möchte ich mich für die vielen Zuschriften, die mich in den letzten Monaten zu diesem Thema erreicht haben. Wie viele andere Kollegen habe ich die Anregungen mit nach Berlin genommen und damit Erfolg gehabt: Das jetzt verabschiedete Gesetz weicht erheblich von dem ursprünglichen Entwurf ab und beinhaltet zahlreiche Verbesserungen.

4. Einflussnahme von 1,8 Millionen Menschen
In dieser Woche stand auch der Bericht über die Tätigkeit des Petitionsausschuss im Jahr 2010 auf der Tagesordnung. Rund 17.000 Eingaben und Petitionen sind im letzten Jahr beim Deutschen Bundestag eingegangen. Werden die Massenzuschriften, übergebene Unterschriftslisten und elektronische Mitzeichnungen bei öffentlichen Petitionen hinzugenommen, so haben sich insgesamt 1,8 Millionen Menschen an den Petitionsausschuss gewandt. Ein Zeichen von Politikinteresse – statt Verdrossenheit.

5. Gäste in Berlin
Vom 15. bis 17. September 2011 besuchte mich eine Besuchergruppe aus Gotha in Berlin und hatte Gelegenheit, die Bundeshauptstadt von ihren schönsten und historisch bedeutsamsten Seiten kennenzulernen. Dabei standen besondere Sehenswürdigkeiten im Mittelpunkt der Reise. Gleich die erste Station führte die ca. fünfzigköpfige Gruppe in das Preußische Herrenhaus, in dem heute der Bundesrat seinen Sitz hat. Gemeinsam staunten die Thüringer über die Geschichte des Hauses und erfuhren Interessantes zu den Wurzeln des deutschen Föderalismus und der Rolle des Bundesrats im politischen Gefüge Deutschlands. Passend dazu folgte im Anschluss die Besichtigung des Reichstagsgebäudes.
Nach einem spannenden Vortrag mitten im Plenarsaal traf ich mich mit meinen Gästen und nutzte die Gelegenheit, ihnen von meiner politischen Arbeit hier in Berlin zu berichten. Es hat mir viel Freude bereitet, mich mit ihnen über aktuelle politische Themen wie die Umstellung von Diplomstudiengängen auf Bachelor/Master oder die aktuellen Herausforderungen in Europa auszutauschen und den Abend bei einem gemeinsamen Essen schließlich ausklingen lassen. Auch das weitere Programm wie der Besuch des Bundesverteidigungsministerium die Gedenkstätte Deutscher Widerstand begeisterte meine Gäste.

6. Hinter den Kulissen: Gastredner im Bundestag
Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht immer so wirken mag: Die Debatten im Bundestag folgen sehr strikten Regeln. Die Tagesordnung legt exakt fest, welches Thema wie lange besprochen wird. Und das Grundgesetz bestimmt, welcher ausgewählte Personenkreis überhaupt sprechen darf: Nur Bundestagsabgeordnete, Mitglieder des Bundesrats und der Bundesregierung oder von ihnen Beauftragte haben das sogenannte Rederecht. Und doch hat gestern Papst Benedikt XVI. im Bundestag gesprochen, was im Vorfeld zu vielen Diskussionen geführt hatte. Doch er ist keineswegs die erste bekannte Persönlichkeit, der diese Ehre zuteilwurde. Bereits vier amerikanische Präsidenten erhielten in der Vergangenheit die Gelegenheit sich im Bundestag zu äußern, so etwa George W. Bush 2002. Im gleichen Jahr kam mit dem Friedensnobelpreisträger Kofi Annan der Generalsekretär der Vereinten Nationen zu Wort. Aber auch Jaques Chirac (2000), Wladimir Putin (2001) oder Shimon Peres (2010) traten bereits als Gastredner im Deutschen Bundestag auf. Auch wenn einige dieser Personen höchst streitbar sind, hat es damals nicht zu solchen Protesten geführt, sondern die Gäste wurden mit Respekt und Toleranz empfangen. Doch wie sind solche Gastreden überhaupt möglich, ohne gegen die Vorschriften des Grundgesetzes zu verstoßen? Durch einen einfachen Trick: In solchen besonderen Ausnahmefällen unterbricht der Bundestag einfach seine aktuelle Sitzung oder Beratung, so dass die Rede des Gastes außerhalb der regulären Plenarsitzung stattfindet. Auf diese Weise wird das Protokoll stets gewahrt.